Den richtigen Greifer finden

von Dan Campbell Greifer sind oft unterschätzte Elemente in Automatisierungssystemen. Mit dem passenden Modell lassen sich Leistung, Maschinenbetriebszeit und Sicherheit verbessern, weshalb bestimmte Faktoren bei der Auswahl unbedingt berücksichtigt werden sollten.

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Die Fähigkeit, Dinge fest und verlässlich zu greifen und zu halten, kann für einen automatischen Produktionsablauf entscheidend sein. Doch obwohl Greifer so wichtig sind, schenken die Entwickler von Pick-and-Place-Automatisierungssystemen der Wahl des Greifertyps oftmals zu wenig Aufmerksamkeit. Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die man bei der Wahl eines Greifers beachten sollte. Dazu zählen unter anderem die möglichen Auswirkungen von Schmutz, Abrieb, Öl, Schmiermittel, Schneidflüssigkeit, Temperaturschwankungen, Sauberkeit und menschlicher Interaktion auf den Betrieb eines Automatisierungssystems. Anders ausgedrückt: Es genügt nicht, einfach einen Greifer von der Stange zu kaufen.

Drei elementare Aufgaben

Über 95 Prozent der heute in der automatisierten Fertigung eingesetzten Greifer sind pneumatisch betrieben. Pneumatische Greifer sind seit vielen Jahren der Standard und werden generell für drei Basisaufgaben eingesetzt. Da ist zunächst das Greifen und Halten eines Teils beim Verlagern, beispielsweise von oder zu einer Arbeitsstation oder Maschine. Die zweite Aufgabe ist das Ausrichten beziehungsweise die korrekte Positionierung des Teils im Rahmen der Vorbereitung auf den nächsten Arbeitsschritt. Die dritte Aufgabe ist das Greifen und Halten eines Teils, während es bearbeitet wird. Diese unkompliziert klingenden Vorgänge können nur dann effektiv funktionieren, wenn der richtige Greifertyp für den spezifischen Einsatz in einer gegebenen Betriebsumgebung gewählt wurde. Im weitesten Sinn gibt es zwei Arten von Betriebsumgebungen, die besonders berücksichtigt werden sollten.

Unreine Betriebsumgebung

In dieser Art von Umgebung ist es wichtig, dass jede Verunreinigung des Greifers durch Schmutz, Abrieb, Öl und Schmiermittel vermieden wird. Viele Greifermodelle verfügen aus diesem Grund über Spülanschlüsse, also einen zusätzlichen Luftanschluss mit einem Kanal ins Greiferinnere. Durch Saugluft entsteht dort ein Überdruck, der das Eindringen von Verunreinigungen ins Greiferinnere verhindert. In extrem rauen Umgebungen können zur vorbeugenden Wartung auch Schmiernippel am Greifer nötig sein, durch die verschmutztes Schmiermittel abgeführt und frisches Schmiermittel zugeführt werden kann.

Reine Betriebsumgebung

Bestimmte Greifer besitzen die Klassifizierung für den Einsatz in Reinraumumgebungen. In dieser Umgebung darf nichts vom Greifer in die Arbeitsumgebung gelangen, was Werkstücke oder den Prozess verunreinigen könnte. Entsprechende Greifermodelle besitzen dazu Absauganschlüsse, die im Greifer vorhandene Verunreinigungen auffangen, sodass diese nicht in die Umgebung gelangen. Standardisierte oder anwendungsspezifische Abschirmungen können sowohl Verunreinigungen vom Inneren des Greifers fernhalten alsauch umgekehrt den Austritt von Schmiermittel oder anderen Schmutzstoffen aus dem Greiferinneren verhindern. Abschirmungen gibt es in unterschiedlichen Ausführungen, von einfachen Formblechen über flexible Muffen und Balge bis hin zu Abstreiflippen.

Materialauswahl

Durch die Verwendung geeigneter Materialien und Beschichtungen für den Greifer kann das Korrodieren sowie ein durch Anhaften von Schmutzpartikeln verursachtes Festfressen verhindert werden. In Reinraumanwendungen lässt sich auf diese Art auch die Bildung von Bakterien verhindern, welche sonst in die Arbeitsumgebung gelangen könnten. Für den Einsatz in unreinen oder extrem heißen Umgebungen gibt es zudem pneumatische Dichtungen. Neben den für Standardanwendungen geeigneten Dichtungen aus Buna-N (Nitril) gibt es solche aus Viton und Silikon für den Einsatz bei höheren Temperaturen. Greifer für extrem heiße und/oder unreine Umgebungen werden mitunter sogar mit Metalldichtungen ausgestattet. 

Gebräuchliche Backenauflagemechanismen

Der in den Backen eingesetze Lagertyp kann sich auf die Funktion der Greifer auswirken, weil verschiedene Lagertypen ihre individuellen Stärken haben. Die im Folgenden vorgestellten Backenauflagemechanismen sind gebräuchlich: • Gleitlager (Oberflächenkontakt): Dazu gehören flache Fläche-zu-Fläche-Lager und Zylinderlager (Buchsen). Diese Lager sind stoßbelastbar und bieten eine exzellente Backenauflage. Sie müssen nicht nachjustiert werden und bleiben bei eng tolerierter Bearbeitung hochgenau. • Rollenlager (Linienkontakt): Zu diesem Typ gehören Kreuzrollenlager und Dual-V-Lager. Fürhohe Genauigkeit lassen sich diese Lager vorspannen und bei Bedarf so nachjustieren, dass über die gesamte Lebensdauer des Greifers kaum Lagerspiel auftritt. Dieser Lagertyp erleichtert eine kontrollierte Anpassung der Greifkraft durch Regeln des Luftdrucks. • Kugellager (Punktkontakt): Dieser Lagertyp ist reibungsarm und eignet sich gut für Präzisionsanwendungen und für den Einsatz mit sehr niedrigen Leitungsdrücken bei Anwendungen, die eine ruhige, gleichmäßige Bewegung erfordern. 

Kraftübertragung und Greifermechanismus

Die Art der Kraftübertragung eines Greifermechanismus ist ein weiterer Faktor, der über die Eignung eines Greifers entscheidet. Folgende Antreibstypen werden bevorzugt genutzt. • Doppelkeilantrieb: Der Keilmechanismus bietet eine große Oberfläche für die Kraftübertragung auf die Backen bei gleichmäßiger Kraftverteilung. Die gebräuchliche Einfachkolben-Ausführung ermöglicht überdies ein hohes Verhältnis von Greifkraft zu Größe. Ein weiterer Vorteil besteht in der immanenten Synchronisierung der Backenbewegung, die einen zusätzlichen Mechanismus überflüssig macht. Der Doppelkeilmechanismus ist sehr robust und stoßbelastbar. • Direktantrieb: Bei diesem Mechanismus ist der Kolben über einen Stift oder eine Stange direkt mit der Backe verbunden. In der Regel sind zwei Kolben und ein Gestänge für die Backensynchronisierung vorhanden. Dieser Mechanismus ist einfach, günstig und leicht abzuschirmen. • Nockenantrieb: Direkte, synchronisierte Kraftübertragung auf die Backen mit Linienkontakt. Der Mechanismus besitzt einen Drehpunkt pro Backe und kommt mit einem Minimum an beweglichen Teilen aus. Die Mechanik der Nocke ermöglicht eine hohe Greifkraft bei relativ kompakter Bauweise. Der Nockenantrieb kommt meistens bei Greifern mit Winkelbacken zum Einsatz. • Zahnstangenantrieb: Dieser Mechanismus eignet sich besonders für Präzionsanwendungen in reinen Umgebungen. Der synchronisierte Antrieb überträgt die Kolbenkraft über eine Zahnstange, wobei an den Antriebsteilen kaum Verschleiß auftritt. 

Ausführung der Finger und Greifmethode

Für die Greifmethode sind drei Metgoden üblich: • Reibung; hier halten anliegende Kontaktflächen das Werkstück durch Reibungskraft fest. Bei einem Druckluftausfall fällt das Teil herunter. 

Für die Handhabung von öligen oder schmierigen Teilen sind Reibungsfinger ungeeignet. Für diesen Anwendungsfall sind in der Regel höhere Greifkräfte und demnach größere Greifer erforderlich. Durch Hartmetallauflagen an der Fingeroberfläche lässt sich die Griffigkeit zwar verbessern, allerdings besteht dann das Risiko einer Beschädigung zerbrechlicher Teile. Für die Handhabung dieser Teile kann man an den Fingern Urethan-Auflagen anbringen, welche die Greifreibung ohne Beschädigungsrisiko erhöhen. • Formschlüssig: Bei der formschlüssigen Greifmethode sind die Finger so profiliert wie das Teil, das heißt rund zu rund. Der Finger umschließt das Teil kraft- und formschlüssig und generiert die Greifkraft. Bei einem Druckluftausfall können sich die Finger aufgrund der Schwerkraft öffnen und das Teil kann herunterfallen. • Umschließend: Bei der umschließenden Greifmethode sind die Finger so profiliert wie das Teil, das heißt rechteckig zu rechteckig. Die Finger greifen das Teil oder nähern sich ihm, und die umschließenden Greiferelemente halten das Teil in Position. Dies gilt als die sicherste Methode. Das Teil fällt bei einem Druckverlust nur dann herunter, wenn eine externe Kraft darauf wirkt.

Sicherheitsaspekte

Bei der Wahl der Fingerausführung sollte die Sicherheit immer Priorität haben. Es gibt unterschiedliche Methoden, um bei einem Druckluftausfall ein ungewolltes Lösen des Teils vom Greifer zu verhindern. Beispielsweise kann eine Innenfeder den Kolben vorspannen und so die Finger oder Backen am Teil festhalten. Man kann an den Anschlüssen auch ein zusätzliches externes Sicherheitsventil montieren, das in der offenen oder geschlossenen Position die Druckluftzufuhr zum Greifer sperrt. An manchen Greifern lassen sich zudem Absenksperren anbringen, die sich bei einem Druckluftverlust automatisch an den Führungsstangen der Backen festklemmen.

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